Erfahrungsbericht: Was passiert auf einer Sitzung des Stadtbezirksbeirats?

Hier auf mein-striesen.de kam ja schon oft der Stadtbezirksbeirat zur Sprache: Vor und nach der ersten Direktwahl durch die Einwohner. Und auch welche Aufgaben und Möglichkeiten er hat, wurde vorgestellt. Aber wie läuft denn eine Sitzung nun wirklich ab? Was wird wie diskutiert. Wonach wird entschieden? Und wie können Bürger und Bürgerinnen teilhaben oder Einfluss nehmen?
Antworten dazu in diesem Bericht von der ersten Sitzung des neugewählten Beirats Blasewitz.

Am 9. Oktober 2019 fand die konstituierende Sitzung des Stadtbezirksbeirats Blasewitz statt, d.h. die gewählten Vertreter haben sich das erste Mal zusammengesetzt und auch gleich eine ganzen Packen an Tagesordnungspunkte abgearbeitet. Doch der Reihe nach:

Der Beirat tagte wie üblich im Ratssaal des Stadtbezirksamtblasewitz. In diesem nicht allzugroßem Raum mit dominater Holz-Kastendecke und historischem Charme befindet sich mittig die Tischrunde für den Beirat und in zweiter Reihe entlang der Wände eine Stuhlreihe für Gäste und Besucher. An der Stirnseite befand sich eine Projektionsfläche für die verschiedensten Präsentationen und Informationen. Neben den 24 Beiräten waren außerdem mehrere Gäste zu Sitzungsthemen sowie Pressevertreter, Vertreter von Bürgervereinigungen sowie weitere interessierte Bürger anwesend.

Pünktlich 17:30 hat der ebenfalls neue Stadtbezirksamtsleiter Christian Barth das Gremium begrüßt und sich in der Rolle als Vorsitzender vorgestellt sowie seine Kollegen der verschiedene Sachgebieten bekannt gemacht. Dabei warb er um gemeinsames und gegenseitiges Verständnis für die Arbeit im Beirat. Sympathisch und souverän sollte er auch den weiteren Verlauf der Sitzung leiten und moderieren.

„Ich gelobe, die Verfassung, Gesetz und Recht zu achten und zu verteidigen, meine Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen uneigennützig und verantwortungsbewusst zu erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber allen zu üben. Außerdem gelobe ich, die Rechte der Landeshauptstadt Dresden gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohnerinnen und Einwohner nach Kräften zu fördern.“
Gelöbnisformel aus der Verpflichtung zum Beirat

Nachdem alle Beiräte sich mit der Sitzordnung einverstanden erklärt hatten, wurde diese als neue Mitglieder des Beirats verpflichtet und über die Befangenheit und Amtsverschwiegenheit belehrt. Dazu musste jedes Mitglied einzeln vortreten und unterzeichnen. Anschließend stellte jedes Mitglied sich und seine Motivation für den Beirat kurz vor.

Immer noch im Rahmen des ersten Tagesordnungspunktes (TOP) wurde den Beiräten die Stadtbezirksföderrichtlinie als ihr Hauptwerkzeug ans Herz gelegt und einstimmig beschlossen, Gästen am Ende jedes TOP eine Rederecht einzuräumen. Dies wurde auch gleich beim Thema Fördermittel fleißig genutzt, denn von den knapp 890.000 Euro, die dem Beirat für 2019 zur Verfügung standen, ist nur etwa ein Viertel tatsächlich ausgegeben worden. Dementsprechend kam auch die Anfrage, die Bürger und Vereine besser zu informieren, welche Fördermöglichkeiten bestehen und wie die Antragsformalitäten und Bedingungen lauten. Die verbleibenden Gelder können nicht nach 2020 übertragen werden und gehen somit in den Stadthaushalt zurück. Auf der einen Seite ist es sicher schön, dass die Steuergelder nicht einfach verprasst wurden – es stellt sich aber schon die Frage, ob hier nicht ein Chance vertan worden ist, in den Stadtteilen Striesen, Blasewitz, Seidnitz/Dobritz sowie Tolkewitz/Seidnitz-Nord etwas zu bewegen…

Bis hierhin wurden eigentlich nur Formalitäten des TOP 1 behandelt und dennoch war die Zeit schon weit fortgeschritten und man konnte sich auf einen langen Abend einstellen. Die regulären Sitzungen werden sicherlich entsprechend kürzer sein.

TOP 2 war schnell erledigt: Ein paar Korrekturen an den letzten beiden Protokollniederschriften und schon ging es mit TOP 3 ans Eingemachte: Es wurde entschieden welche Projekte mit Fördermitteln unterstützt werden. Dazu präsentierten die Antragsteller ihre Projekte und beantworteten Fragen. Die beratende Juristin musste in einigen Fällen die Rechtslage zur Zuständigkeit erläutern, wonach dann auch zwei Anträge anschließend zurückgezogen wurden. In der Sitzung selbst kamen jedoch alle sechs (z.T. nach Änderungen) zur Abstimmung: Drei wurden bewilligt, drei abgelehnt (davon zwei anschließend zurückgezogen). Hier zeigten sich auch das erste Mal die unterschiedlichen parteipolitischen Einstellungen zu bestimmten Themen und die Grenzen des gegenseitigen Verständnisses waren erahnbar. Nichtsdestotrotz waren die Diskussion sachlich und am Ende die Entscheidungen immer sehr eindeutig. Und natürlich kamen auch Bürger zu Wort, stellten Fragen oder äußerten Kritik zu einzelnen Projekten.

Für 2019 können keine Projekte mehr gefördert werden. Die Erfahrung zeigt, dass etwa zwei Monate Bearbeitungszeit eingeplant werden müssen – für kleine Projekte bis 1000 € immerhin noch 4-6 Wochen. Hoffentlich wird für 2020 mehr Transparenz für Antragsteller geschaffen.

Anschließend gab es in TOP 4 drei dicke Bretter zu bohren. 1) Im Rahmen der Sanierung des Blauen Wunders steht derzeit die Erneuerung des Korrosionsschutzes und Instandsetzung von Stahlbauteilen an. Dazu gab es eine Vorstellung aus dem Straßen- und Tiefbauamt, Abteilung Brücken- und Ingenieurbauwerke. Zusammenfassen lässt sich, dass in den nächsten Jahren stets Teile der Brücke eingerüstet sein werden – 5 Jahre sind für den Korrosionsschutz geplant, anschließend gibt es jedoch weitere Sanierungsschritte. Weiterhin wird es nur eine Gehbahn geben. Vermutlich wird auch eine Fahrbahn wegfallen und auch eine mehrtägige Vollsperrung (z.B. in den Winterferien) ist notwendig. Hier gab es viele Nachfragen, aber wenig Einwände, so dass einstimmig dem (geänderten) Beschlussvorschlag zugestimmt wurde.

Unnützes Faktenwissen: Der neue Farbton des Blauen Wunders hört auf den Namen NCS S-2030-R 90B und lässt sich bereits am unterstromigen Fußweggeländer bestaunen.

2) Bei der Erneuerung der Beleuchtung im Zuge der Sanierung der Augsburger Straße, sah das schon anders aus. Zunächst gab es auch eine Übersicht zu den untersuchten Varianten durch die Abteilung Verkehrssteuerung/Öffentliche Beleuchtung des Straßen- und Tiefbauamts. Der Beiratsvertreter bemängelten dabei viele Unstimmigkeit bzw. Unklarheiten in den Angaben und Vorgaben. Nach einigem Hin und Her, wurde dann nach einigen Änderungen der Umrüstung der Gaskandelaber auf LED-Technik zugestimmt, wobei an den Fußgängerüberwegen zwangsläufig moderne technische Laternen aufgestellt werden müssen. Interessant ist dabei auch die Planungsvorgabe zum Ausbau auf 50 km/h, insbesondere mit dem Hintergrund einer möglichen Buslinie der DVB. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Variante auf die Zukunft der Gaskandelaber in dem denkmalgeschützten Bereich Striesens auswirkt.

Die Zukunft der historischen Gaskandelaber insbesondere im denkmalgeschützten Bereich ist schon seit Jahren (und Jahrzehnten) ein heißdiskutiertes Thema: siehe zum Beispiel hier, hier, hier oder die mögliche Alternativen hier.

3) Das dickste Brett kam als „Rahmenrichtlinie der Landeshauptstadt Dresden als Grundlage für die Erarbeitung von Fachförderrichtlinien und damit verbundenen Zuwendungen an Dritte“ daher und wie der Name vermuten lässt, erwies es sich als zu dick für den Beirat. Ohne Ansprechpartner und Erläuterung aus dem entsprechenden Ressort fühlte sich der Beirat unfähig eine hinreichend fundierte Entscheidung zu treffen. Dieser Punkt wurden also vertagt.

Mittlerweile fast 22 Uhr gab es noch die Absprache der Sitzungstermine für 2020 und anschließend Informationen des Stadtbezirksamtsleiters, Hinweise und Anfragen aus dem Stadtbezirksbeirat und der Bevölkerung, die zu diesem Zeitpunkt kaum noch vertreten war. Für den Beirat ging es jedoch noch weiter zum letzten, nicht-öffentlichen TOP zu „Namensvorschläge für Straßenbenennung.“ Um 22:20 ging diese Marathon-Sitzung dann endlich zu Ende.

tl;dr

Der neue Stadtbezirksbeirat ist „bunt besetzt“ – Männer, Frauen, junge Studenten, Rentner, Angestellte, Selbstständige, Ärtze, Erzieher, Ingenieure aus sieben Parteien/Organisationen. Alle Themen werden verständlich besprochen und auch Bürger bekommen regelmäßig das Wort. Welche Themen auf der Tagesordnung stehen und etwas Hintergrundinformationen erhält man im Ratsinformationssystem. Mit längerer Verzögerung findet sich dann dort auch die Protokollniederschrift zum Nachlesen.
Nachtrag vom 21.11.2019: Die Niederschrift ist nun veröffentlicht und bietet viele weiter Informationen zu den Diskussionen und Themenpunkten.
Kurz: Wer sich zu einem Thema äußern oder ein eigenes Thema einbringen möchte, findet im Stadtbezirksbeirat ein geeignetes Mittel der Bürgerbeteiligung. Auch bietet er eine gute Informationsquelle zu Vorhaben und Entwicklungen im Stadtbezirk.