Wer sitzt im ersten direkt gewählten Stadtbezirksbeirat Blasewitz?

Der Stadtbezirk Blasewitz hat gewählt. Wen genau und warum der Kandidat mit den sechst meisten Stimmen keinen Sitz erringen konnte, erklärt dieser Beitrag.

Der Stadtbezirksbeirat Blasewitz repräsentiert knapp 89.000 Einwohner und damit immerhin fast 1/6 von Dresden! Er vertritt die Interessen der Stadtteile Blasewitz, Gruna, Seidnitz/Dobritz, Striesen sowie Tolkewitz/Seidnitz-Nord gegenüber dem Stadtrat bzw. Bürgermeister. Zudem gibt es einen eigenes Haushaltsbudget über das eigenständig im Rahmen der Zuständigkeit entschieden werden kann.

Am 26. Mai 2019 wurde dieser nun erstmals direkt von den Bürgern und Bürgerinnen gewählt. Das amtliche Endergebnis wurde am 29. August 2019 festgestellt. Folgende Bewerber sind für die 24 Sitze gewählt: 1

NamePartei/OrganisationStimmenBeruf
Sebastian KieslichCDU7584Referent
Johannes RichterCDU2706Geschäftsführer
Andreas AtzenbeckCDU 1987Rechtsanwalt
Dr. Volkhard GürtlerCDU 1945Bauingenieur
Agata Reichel-TomczakCDU1747Geschäftsführerin
Ilona SchärDIE LINKE6141Lehrerin
Melanie RombergDIE LINKE 2451Erzieherin
Lea FinkDIE LINKE 1734Ökologin
Dominic BöcklingDIE LINKE 1406Student
Michael KunathSPD2971kaufm. Angestellter
Christian KreßSPD1806Arzt
René LangeAfD9780Selbständiger
Heiko MüllerAfD5172Angestellter
Dr. Reinhard GünzelAfD2729Rentner
Kathrin DeckerAfD2127Angestellte
Carola KüfnerGRÜNE8173Sozialarbeiterin i. R.
Doreen SommerGRÜNE 3340Medizinische Fachangestellte
Matthias JustGRÜNE 3026Dipl.-Ing. Verkehrsanlagenbau
Florian FrischGRÜNE 1895Marketingdirektor
Dr. Caroline FörsterGRÜNE 1626Projektkoordinatorin
Hanna SchöllerGRÜNE 1612Studentin der Politikwissenschaften
Carsten BiesokFDP3251Rechtsanwalt
Dr. Johannes EtzrodtFDP
1096Arzt
Monika AignerFreie Wähler Dresden e.V.2290Hochschulingenieurin

Einige der Kandidaten hatten sich und ihre Ansprechmöglichkeiten im Vorfeld der Wahl auch hier vorgestellt.

Offizielle Wahlstatistik

Stärkste Fraktion sind also die Grünen mit sechs Sitzen. Die CDU erreicht fünf, die Linke und AfD jeweils vier, SPD und FDP jeweils zwei Sitze. Die freien Wähler komplettieren den Beirat mit einem Sitz.

Von 70.395 Wahlberechtigten gaben 48.173 ihre Stimme ab. Dies entspricht einer Wahlbeteiligung von 68,4 %. Da es bis zu drei Stimmen zu vergeben gab, ist die Anzahl der gültigen Stimmen deutlich höher: 137.307 (bei 821 ungültigen Simmen).

Die Stimmen verteilten sich dabei wie folgt: 1

PArtei/OrganisationStimmenAnteilSitze
CDU26.40119,2 %5
Die LINKE21.76115,8 %4
SPD12.1648,9 %2
AfD22.54416,4 %4
GRÜNE28.97221,1 %6
NPD5510,4 %0
FDP9.7147,1 %2
Die PARTEI3.6432,7 %0
FREIE BÜRGER2.9772,2 %0
Freie Wähler e.V.53663,9 %1
Für die Kleingärtner Dresdens3.2142,3 %0
SUMME137.307100%24

Interesante Zahlenspielerei und Fakten zum Wahlverfahren

Schaut man sich die Verteilung der abgegebenen Stimmen genauer an – was aufgrund der sehr guten Übersicht des Wahlergebnisses auf der Dresden-Homepage auch gar nicht so kompliziert ist – so fällt schnell auf, dass es Kandidaten mit sehr vielen Stimmen gibt, die es dennoch nicht den Beirat geschafft haben. So landet etwa der Kandidat der PARTEI auf Platz sechs nach Stimmen (3643 an der Zahl), jedoch nicht im Beirat. Das gewählte Mitglied mit den wenigsten Stimmen dagegen befindet sich gerademal auf Platz 37 des Stimmen-Rankings (1096 Stimmen).

Ursache ist hierbei natürlich das Wahlverfahren. Gewählt wurde nämlich nach den Grundsätzen der Verhältniswahl unter Anwendung des Divisorverfahrens mit Abrunden nach d’Hondt. In erster Näherung heißt das: die Anzahl der Plätze werden möglichst im selben Verhältnis wie Stimmenanteile der Parteien/Organisationen vergeben. Hat also beispielsweise eine Partei 25 % der Stimmen erhalten, sollten ihr auch 25 % der Sitze zustehen. Für jeden der 24 Sitze im Stadtbezirksbeirat müssen also jeweils 1/24 (rund 4,2 %) der Stimmen ergattert werden. Da diese Rechnung nur selten exakt aufgeht, gibt es Verfahren um die Abweichungen, d.h. die Teiler- und Rundungsreste, zu managen, z.B. eben das benannte Divisorverfahren mit Abrunden nach d’Hondt.

Die PARTEI hat mit 2,7 % nicht genug Anteile auf sich vereinen können, um einen Sitz zu ergattern – auch wenn ihr Kandidat im Einzelranking weit oben landet. Nun erklärt sich vielleicht auch die unglaubliche Zahl von über 100 Bewerbern für den Stadtbezirksbeirat Dresden. Denn jede Stimme zählt – nur halt nicht unbedingt für diesen Kandidaten, sondern unter Umständen für den Parteimitstreiter. Unter Umständen „addieren“ sich also viele kleine Kandidatenanteile zu einem Sitz oder im umgekehrten Fall, macht ein Kandidat mit überdurchschnittlich viel Stimmen den Weg für weitere Parteimitstreiter frei.

Die Sitzverteilung nach d’Hondt kann dabei zu zu größeren Abweichungen von der Verhältnismäßigkeit führen, wobei kleinere Parteien benachteiligt werden. Insbesondere tritt dies bei starken Größenunterschieden der Anteile und bei einer hohen Anzahl von Parteien für vergleichsweise wenige Sitze auf. Daher werden häufig alternative Methoden wie das Hare-Niemeyer-Verfahren oder Sainte-Laguë-Verfahren verwendet, so auch bei den Bundestagswahlen, Europawahlen und einigen Landes- und Kommunalwahlen. Alternativ wäre natürlich auch eine personenbezogene Mehrheitswahl der Kandidaten möglich. Jedes Verfahren hat wiederum eigene Schwächen und Stärken, die in der Praxis zusätzlich durch spezielle Wahlregeln weiter verstärkt oder gemindert werden. Folgende Tabelle zeigt die theoretischen Sitzverteilungen vergleichend für die genannten Methoden:

Partei/Organisation1IdealanspruchD’HondtHAre-NiemeyerSainte-Laguë Mehrheit
CDU4,6085545
Die LINKE3,7924443
SPD2,1362222
AfD3,9364444
GRÜNE5,0646555
NPD0,0960000
FDP1,7042222
Die PARTEI0,6480111
FREIE BÜRGER0,5280000
Freie Wähler e.V.0,9361111
Für die Kleingärtner Dresdens0,5520010
Gesamt2424242424

Ingesamt sind die Unterschiede erwartungsgemäß gering. Dennoch ist die Bevorteilung starker Parteien (hier Grüne und CDU) im Wahlergebnis ersichtlich: Die alternativen Varianten verteilen einen Sitz an die PARTEI und z.T. an die Wählervereinigung „Für die Kleingärtner Dresdens“ – mit den entsprechenden Abzügen bei den Grünen, Linken bzw. der CDU. Gemessen am idealen Sitzanspruch von deutlich weniger als einem Sitz für diese kleinen Parteien, ist dies wohl aber als tolerierbare Verzerrung des Wahlergebnisses angemessen – auch wenn die PARTEI den sechststärksten Einzelkandidaten hat.

Schlusswort

Viele Einwohner haben die Chance genutzt, am Entscheidungs- und Beteiligungsvorgang der Stadt Dresden Einfluss zu nehmen und entsprechend einen Repräsentanten im Stadtbezirksbeirat Blasewitz gewählt. Der neugewählte Beirat hat am 9.10. seine erste Sitzung gehalten. Wie diese ablief und welche Themen behandelt wurden, folgt in Kürze in einem eigenen Blogeintrag auf mein-Striesen.de.
Vorab schon einmal die Info: Auch in den Sitzungen hat der Beirat ein offenes Ohr für die Bürger.

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1 geordnet nach Partei/Organisation wie Stimmzettel und Anzahl der Stimmen